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Anrechenbarkeit und Pfändbarkeit des Blindengeldes

Blindengeld ist gemäß § 850a Nr. 8 ZPO und § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I nicht pfändbar. Das heißt: Verboten ist es, durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die leistende Stelle dazu zu verpflichten, das Blindengeld an den Gläubiger auszuzahlen. Was aber gilt, wenn das Blindengeld ausgezahlt ist und auf dem Konto des Blinden liegt?

Hier galt bisher die Regelung des § 55 SGB I: War der Betrag nach 14 (früher: 7 Tagen) noch nicht abgehoben, war er pfändbar. Diese Regelung wird nun ab 1.1.2012 durch den neuen § 850k ZPO ersetzt. Diese Norm macht den Pfändungsschutz von der Einrichtung eines eigenen Pfändungsschutzkontos abhängig (das zusätzliche Bankgebühren kostet), ist aber insofern günstiger, als man dort aufgrund einer von der leistenden Sozialbehörde einzuholenden Bescheinigung einen dauerhaften Pfändungsfreibetrag eingeräumt bekommt.

Blindengeld ist kein Einkommen - Übersicht über die einschlägigen Normen
Bei vielen sozialen Leistungen ist Voraussetzung, dass eine bestimmte (gegebenenfalls individuell festzulegende) Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Darf dann Blindengeld als "Einkommen" angerechnet werden? Antwort: grundsätzlich nicht.
Aber wo steht das im Einzelfall?

Ähnliche Wirkungen wie die Einkommensanrechnung haben Regelungen, wonach "vergleichbare" Leistungen, die der Antragsteller bereits erhält, auf die beantragte Leistung anzurechnen sind. Auch auf diese Regelungen soll hier eingegangen werden.

Die nachfolgende Übersicht beschränkt sich im wesentlichen auf die Angabe der einschlägigen Normen. Zum Teil ist deren Anwendung mit schwierigen Rechtsfragen verbunden. Diese können hier nur angedeutet werden; es werden jedoch weiterführende Hinweise gegeben.

Die laufenden Blindengeldzahlungen werden im deutschen Recht also grundsätzlich nicht als "Einkommen" bewertet. Eine Ausnahme ist das zivile Unterhaltsrecht, wonach das Blindengeld in die Berechnung des Unterhalts einzubeziehen ist. Praktisch sollte dies aber keine Bedeutung mehr haben, seitdem in § 1610a BGB (und den darauf verweisenden Normen § 1571 BGB und § 1578a BGB) für das gesamte Unterhaltsrecht die gesetzliche (aber im Einzelfall widerlegliche) Vermutung aufgestellt wurde, dass Leistungen wie das Blindengeld im vollen Umfang verbraucht werden und für den Unterhalt nicht mehr zur Verfügung stehen. Zu den trotzdem aufgetretenen Schwierigkeiten siehe Ra 4/2008.

Eine weitere Ausnahme ist die Regelung über die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe beim Zivilprozeß. Die ZPO verwendet hier einen extrem weiten Einkommensbegriff, unter den auch das Blindengeld fällt; allerdings verweist § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO auf § 1610a BGB, und damit auf die Vermutung, dass Leistungen wie das Blindengeld für die Deckung von Prozesskosten nicht zur Verfügung stehen.

Im Steuerrecht gilt § 3 Nr. 11 EStG: Danach sind steuerfrei "Bezüge aus öffentlichen Mitteln..., die wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligt werden". Dies wird so verstanden, dass das Blindengeld zu den steuerfreien Bezügen gehört. Die Regelung kommt auch dann zum Zuge, wenn in anderen Gesetzen auf das Steuerrecht, bei Einkommensprüfungen namentlich auf das nach § 2 Abs. 1, 2 und 3 EStG zu versteuernde Einkommen verwiesen wird. Dies ist u.a. der Fall in:
§ 14 Abs. 1 WoGG - beim Wohngeld,
§ 2a WoPG - bei den Bausparprämien,
§ 13 Abs. 1 Satz 2 Fünftes VermBG - bei der Arbeitnehmer-Sparzulage,
§ 1 Abs. 8 BEEG - beim Elterngeld.

Behinderte Menschen über 25 Jahre, die "wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten", können steuerrechtlich als "Kinder" berücksichtigt werden (§ 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG) oder es kann für sie Kindergeld gezahlt werden (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG). Hier ist zu beachten, dass das Blindengeld nicht zu den für den Selbstunterhalt einzusetzenden Mitteln gehört. Zur nicht ganz einfachen rechtlichen Begründung siehe Heft 06 der Schriftenreihe "Rechtsberatung für blinde und sehbehinderte Menschen", Abschnitt 6.1.3.

In mehreren Regelungen heißt es, dass zum "Einkommen" nur das Erwerbseinkommen oder das Erwerbsersatzeinkommen zählt, so dass das Blindengeld hier ausscheidet. Zu diesen Regelungen gehören:
§ 18a Abs. 3 SGB IV - der die Anrechnung von Einkommen (des überlebenden Ehepartners) auf Renten wegen Todes regelt; diese Regelung gilt nicht nur für die gesetzliche Rentenversicherung, sondern auch für die gesetzliche Berufsunfallversicherung,
§ 34 Abs. 2 Satz 2 SGB VI - zum Begriff des Hinzuverdienstes zur vorzeitig in Anspruch genommenen Rente,
§ 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI - zum Begriff des Hinzuverdienstes zur Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
§ 6 Abs. 3 KfzHilfeVO - für die - auf welcher Rechtsgrundlage auch immer - in Anspruch genommene Kfz-Hilfe.

Bei der Einkommensprüfung für Leistungen der Sozialhilfe gilt zunächst gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII der Grundsatz, dass keine Sozialhilfeleistung als "Einkommen" angerechnet wird, wenn über eine andere Sozialhilfeleistung entschieden werden soll. Beispiel: Soll über den Anspruch auf Eingliederungshilfe entschieden werden, darf die bereits gewährte Blindenhilfe (eine andere Sozialhilfeleistung) nicht als "Einkommen" angerechnet werden. Ist im selben Fall der Betreffende bereits Bezieher von Landesblindengeld (keine Sozialhilfeleistung), so findet § 83 Abs. 1 SGB XII Anwendung. Danach wäre zu prüfen, ob das Landesblindengeld "zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht" wird und ob die beantragte Sozialhilfeleistung ganz oder teilweise diesem Zweck entspricht (dementsprechend ganz oder teilweise Anrechnung als "Einkommen"). Ob und inwieweit eine Zweckgleichheit vorliegt, ist, da unter den Begriff der Eingliederungshilfe sehr verschiedene Leistungen fallen, dementsprechend differenziert zu entscheiden. Zu den Einzelheiten siehe Heft 06 der Schriftenreihe, Abschnitt 6.1.4.2.
Eine ähnliche Regelung wie § 83 Abs. 1 SGB XII enthalten:
§ 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a) SGB II - für das Arbeitslosengeld II, zu Einzelheiten siehe Ra 21/2004 und Heft 06 der Schriftenreihe Abschnitt 6.1.2.
§ 25d Abs. 4 BVG - für die Kriegsopferfürsorge,
§ 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG - für das BAföG, dazu Heft 06 der Schriftenreihe, Abschnitt 6.1.1.,
§ 71 Abs. 2 SGB III - für die Förderung der beruflichen Ausbildung durch die Arbeitsagentur (Verweisung auf die BAföG-Regelung).

Ein Sonderfall liegt vor, wenn das gewährte Landesblindengeld durch die nach § 72 SGB XI gewährte Blindenhilfe aufgestockt werden soll. Für diesen Fall sieht § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XII vor, dass die "vergleichbaren Leistungen", also auch das Landesblindengeld, auf den Leistungsbetrag der Blindenhilfe anzurechnen sind. Sind sie dann aber - wie das OVG Schleswig (Urt. v. 29.4.2004 - 2 LB 40/04) meinte - aufgrund § 83 Abs. 1 SGB XII zusätzlich auf das Einkommen des Antragstellers anzurechnen? Eine solche doppelte Anrechnung macht keinen Sinn. Die Anrechnungsregelung in § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist deshalb als eine den § 83 Abs. 1 SGB XII verdrängende "lex specialis" anzusehen. Zu den Einzelheiten Heft 06 der Schriftenreihe, Abschnitt 6.1.4.1.

Im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung ist zu beachten:
§ 61 Abs. 2 Nr. 1 SGB V verweist im Zusammenhang mit den Härtefallregelungen (Befreiung von Zuzahlungen, Ersatz von Fahrtkosten) auf das "Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt", wozu das Blindengeld wegen seiner spezifischen Zweckbestimmung nicht gehört.

§ 240 SGB V: Die Heranziehung von Blindengeld zu den beitragspflichtigen Einnahmen der nach § 240 SGB V freiwillig versicherten Mitglieder ist gesetzeswidrig und wurde durch eine aufsichtsrechtliche Anweisung des BMG an den GKV-Spitzenverband untersagt. Diese Anweisung wurde inzwischen durch Urteil des LSG Berlin-Potsdam - Az. L 9 KR 69/08 - bestätigt. Über die dagegen eingelegte Revision beim BSG - Az. 12 KR 22/09 - ist derzeit noch nicht entschieden.

Alle Angaben dieser Übersicht ohne Gewähr.
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.
Thomas Drerup
16.12.2011


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